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Scott Smith: Ein ganz
einfacher Plan
Die Coen-Brüder lieben Sam
Raimi, und ich liebe die Coen-Brüder. Und jetzt hat Sam Raimi ein
Buch verfilmt, daß ich schon immer lesen wollte, und so drängt
es mich ins Kino. Aber erstmal drängte es mich zum Buch, das seit
beinahe einem halben Jahrzehnt auf meiner Leseliste stand.
Ein ganz einfacher Planvon
Scott Smith war in der ersten Hälfte der Neunziger nicht nur ein Überraschungsbestseller
sondern, so paradox wie es klingen mag, auch ein Geheimtip – nämlich
unter jenen, sich selbst als ernsthafter begreifenden, Lesern, die dem
Thrillergenre nicht unbedingt besonders aufgeschlossen gegenüberstehen.
Um ein Stück große Literatur, sagten sie, solle es sich handeln,
und Robert Harris, der Autor von Vaterland, schrieb in einer Besprechung
von einem raren Kunstwerk. Ich habe mir das Buch dreimal gekauft, auf englisch,
auf deutsch und nun wieder auf englisch. Und jetzt endlich habe ich es
auch gelesen (in der Originalfassung, so daß ein Urteil zur Übersetzung
ausbleiben muß), und, um es vorwegzunehmen, Harris und meine ernsteren
Freunde, sie haben recht.
Ungeheurlich ist das Buch, und
zwar auf eine Weise, eine brutale, einschneidende, brutal subtile Weise,
die es schwer macht, sich die Geschichte, das Unerhörte, das, was
einem, ohne daß man es zunächst bemerkte, den Boden unter den
Füßen weggezogen hat, nicht von der Seele zu reden. Dreimal
habe ich die letzten Tage angefangen, von dem Buch zu erzählen, dreimal
wurde ich unterwegs gestoppt, ich möge doch nicht zuviel verraten.
Und jedesmal habe ich es eingesehen, weil ich weiß, daß es
gut war auch für mich, damals nicht zuviel in Erfahrung zu bringen.
An der Oberfläche, soviel
kann nun doch gesagt werden, handelt Ein ganz einfacher Plan davon,
was man macht, wenn man zu dritt in einem abgestürzten Privatflugzeug
eine Tasche mit viereinhalb Millionen Dollar findet, sie behalten aber
gleichzeitig nicht das geringste Risiko eingehen will, gefaßt zu
werden. Und daher kommt natürlich der Titel. Der Ich-Erzähler
hat ihn, den einfachen Plan. Daß er nicht aufgeht, versteht sich
von selbst.
Auf welche Weise er nicht aufgeht
dagegen nicht. Ich hatte Trivialeres erwartet. Aber Scott Smith kennt kein
Erbarmen, das Spiel mit Erwartungen versteht er so gut wie kaum ein anderer.
(Robert Harris fällt mir noch ein, aber dies nur nebenbei.) Und Smith
arbeitet mit einer effektiven Doppelstrategie. Einerseits wird man als
Leser in die Irre geführt, und andererseits – und da fängt die
Ungeheurlichkeit – nutzt er die so erzeugte Verwirrung, um Dinge
selbsverständlich erscheinen zu lassen, die, nun, die es nicht sind.
Und gegen die später einsetzende Verstörung darüber ist
die anfängliche Verwirrung (nein, es kommen keine Mafiagangster, die
sich die Kohle wieder holen wollen) nichts. Der Unterschied ist der zwischen
An-einem-Morgen- kurzzeitig-nicht-mehr- wissen-daß-man- in-einem-Hotel-
geschlafen-hat und In-einem-Hotel- aufwachen-ohne-es- tatsächlich-je-
betreten-zu-haben.
Viel Vergnügen. (cm)
GOLDMANN Taschenbuch 1996,
DM 14.90 |