[ neues im september 1998 ]
Der September bringt: Feuerzauber in Florida, einen Kriminalfall ohne Kriminalisten aber mit Anwalt Abel, Action und Geld für Pia Petry, Stickoxid gegen Impotenz, Ungeplante Abgänge von Herbert Rosendorfer und vieles mehr. 

Larry Baker: Feuerzauber

Was für eine Geschichte! Larry Baker entführt uns in eine fremde Welt, die Welt des jungen Isaac Lee, des Floridas der frühen sechziger Jahre, der großen Träume und weiten Landschaften; in eine Welt, in der der Glaube an wichtige Dinge im Leben eines jeden noch nicht zerrüttet war. Das hier ist eine Geschichte über Land und Liebe und ein großes Feuer, das alle Träume meines Vaters zunichte machte, beginnt Abraham Issac Lee seine Erzählung. Der durchschimmernde Pathos ist gewollt, denn Issac glaubt an den Pathos. Er glaubt auch an große Ideale, an Gut und Böse, an die separate Welt der Frauen und schließlich an die Liebe. Ja, davon handelt dieses Buch: Vom rechten Weg im Leben, von der einen großen Liebe und vom Großwerden im Florida der Venturer und Vendor. Isaac Abraham Lee ist koreanischer Adoptivsohn einer weißen Mittelschichtsfamilie; seine Jugend ist geprägt von Filmen und Feindschaft. Sein Vater unterhält das gigantische Autokino Flamingo und eine ausgeprägte Feindschaft zum nachbarlichen Beerdigungsunternehmer Turner West, in dessen Tochter Grace der junge Isaac Abraham unsterblich verliebt ist.

Feuerzauber ist weit mehr als eine amerikanische Familiengeschichte. Wie das gigantische Feuerwerk der Lees zum Nationalfeiertag, versprüht das Buch den Zauber, dem man sich nicht entziehen kann: impulsiv, skurril, vielfarbig. Ein prächtiges Buch, eine mächtige Geschichte.

Goldmann 1998, Hardcover

Fred Breinersdorfer: Das Biest

Welcher Mann kann einer femme fatale wie Stella Telago widerstehen? Eduard Hablik gibt sich erst gar keine Mühe, das frisch aus einer Nervenklinik entwichene Biest zurückzuweisen. Als er die völlig verstörte Stella an seinem einsamen Junggesellenabend vor seiner Stammkneipe anspricht und mit nach Hause nimmt, ahnt der Richter nicht, was er sich einfängt. Er wähnt sich im großen Liebesglück und läßt sich vom Abenteuer locken. Seine neue Liebe sucht indes die langersehnte große Freiheit: Benutzt sie ihn? Ist sie femme fatale oder eine gefährliche Irre? Zwar ist Stella blutverschmiert und trägt eine Schußwaffe in der Handtasche, aber mit Mord kann das unschuldige Geschöpf nichts zu tun haben, dessen ist sich der kriminalerfahrene Hablik sicher. Einem ersten Trugschluß über die große Unbekannte folgen weitere. Um ihre Betreuung aufheben zu lassen, engagiert er den Kollegen Rechtsanwalt Jean Abel. Der angenehme Lebemann Abel merkt erst spät, welcher Prüfung seine Faulheit zu arbeiten unterzogen wird. Hablik zappelt bald wie eine Fliege im Netz aus Macht, Geldgier und Verrücktheit, das auch Stella gefangenhält und Verbrechen nach sich zieht.

Das Biest kommt ohne tödliche Schüsse, polizeiliche Intervention und findige Ermittler aus, denn er hat den cleveren Rechtsanwalt Jean Abel, der die Verstrickungen, in denen sich sein Mündel findet, mit Charme leichter entwirrt als mit Gewalt. Und so besticht Das Biest durch die überzeugenden Charaktere, die Lebensnähe und durch seine ungeheure Spannung.

Eichborn 1998, Hardcover

 

Petra Würth: Unter Strom

Pia Petry verdient mit Schnüffeln ihr Geld. Die Kasse ist knapp, und so nimmt sie dankbar den Fall von Isabelle Dujack an, die wissen will, wer ihre Mutter vor etlichen Jahren ins Koma befördert hat und nun ins Jenseits schicken will. Die unerschrockene und burschikose Pia tastet auf Gutglück drauflos, und prompt entpuppt sich ihr Fall als großer Fisch mit Adoption und Täuschung und Mord und Pychosen. Ein richtiger Kriminalfall also! Das ist eine arge Herausforderung für die krisengebeutelte Lebefrau kurz vor den 40, die sich den Launen ihres blässlichen Lebensabschnittsgefährten nur mit knapper Not erwehren kann. Und so sind weder die Autorin noch ihre Heldin Pia den Härten des wahren Lebens gewachsen. Ihre Geschichte ist recht gut und unterhaltsam; ein solider Kriminalfall mit einem einleuchtenden wenn auch vorhersehbaren Ende. Locker lesbar, mit wenig Tiefgang und kaum als komplex zu bezeichnenden Charakteren. Eine leichte Lektüre, die all jenen Leserinnen bekommt, die sich an manch abgegriffenen Bildern und Klischees nicht stören.


 
Hoffmann und Campe 1998, Hardcover, DM 39,80 
 

Carl Djerassi: NO

Erektile Dysfunktion, zu deutsch Impotenz, ist spätestens seitdem die Wunderdroge Viagra auf den Weltmarkt gespült wurde, in aller Munde. Einer der Väter der Antibabypille, Carl Djerassi, hat ein Science-in-fiction-Buch geschrieben, das die Entwicklung einer Abhilfe gegen Impotenz schildert durch einen Stoff, der kein Neuling in der Welt der Chemie ist: das Stickoxid. Die indische Wissenschaftlerin Renu Krishnan betreibt mit einem amerikanischen Stipendium Forschungen über Stickoxid – oder NO – in Isreal. In Beer Sheva lernt sie Jephtah kennen, mit dem sie mehr teilt als nur die Leidenschaft für die reine Lehre. Gemeinsam entwickeln sie ein Gerät, das sie MUSA nennen, mit dem NO in den männlichen Körper injiziert werden kann. Von ihrer wissenschaftlichen Entdeckung bis zur Vermarktung des Produkts ist es ein jahrelanger und harter Weg. Von diesem Weg erzählt Djerassi. Er eröffnet Außenstehenden einen Einblick in die Welt der Wissenschaft, stellt uns mutige Wanderer zwischen den kulturellen Welten vor wie die in Amerika lebende Inderin Renu Krishnan, zeigt erfolgreiche Frauen und die Hürden der Karriere, die proportional zum Erfolg zunehmen, kurzum: NO ist ein fiktiver Roman auf realer Grundlage, der uns Leserinnen und Lesern zeigt, wie durch die Wissenschaft das Leben der Menschen gestaltet werden kann: Impotenz durch einen harmlosen Mechanismus beheben.

Nach Cantors Dilemma, Das Borubaki-Gambit und Menachems Same (allesamt bei Haffmans erschienen) legt Djerassi mit NO ein weiteres fantastisches Werk vor, das den Schleier über der Forschung lüftet und uns einen kleinen Blick auf die simplen Tatsachen des Lebens erhaschen läßt.

Haffmans 1998, Hardcover, DM 44

Herbert Rosendorfer: Ungeplante Abgänge. Zwei neue Geschichten aus der Mitte der Welt.

Die Mitte der Welt liegt in Bayern. Rosendorfers zwei Geschichten spielen dort, und außer Bayern verbindet sie noch etwas: die falsche Richtung, die das Leben manchmal nimmt und wie die unaufhaltsame Mühle der Institutionen ungewollt=komische Mißverständnisse produziert. Ein unbekannter Mann wird mitten in München aufgegriffen und ehe er sich’s versieht, landet er als ‘Walter’ in der Psychatrie, wird befragt, vermessen, beurteilt, analysiert – und entpuppt sich als geflohener Jugoslawe. Ein stattbekannter Minsterialrat wird mitten in Passau unfreiwillig Mitglied der SPD und ehe er sich’s versieht, droht sein neuer Status als Genosse bekannt zu werden und er muß vertuschen, lügen – und schließlich kapitulieren. Ungeplante Abgänge. Rosendorfer schildert in seiner unnachahmlichen vergnüglichen Art vom ungewollten Scheitern und der Komik, die dem Alltag innewohnen kann.

„Ministerialdirektor Kesseler hatte sich natürlich nie solcher unlauterer Praktiken bedient. Wenn das Licht in seinem Dienstzimmer brannte, war er auch da. Da gab es nichts... Ein Problem ist natürlich, womit man sich dann aber die Zeit vertreibt. Der Ministerialdirektor... löste Kreuzworträtsel. Auch vergnügte er sich gern mit Kopfrechnen... Er rechnete aus, wieviel Kilogramm Knöcherlsulz er am – nicht mehr ganz fernen – Tag seiner Pensionierung gegessen haben würde. Rechnete es auf Kühe um. Rechnete die Kühe in Gras um, das sie gefressen hatten. Alles im Kopf. So gekämpfte der Ministeraldirektor die Dienstzeit."

Kiepenheuer & Witsch 1998, Taschenbuch, DM 12,90


August 1998

John Burdett: Eine private Affaire
David Huggins: Der grosse Kuss
Nicholas Blincoe: Acid Killers
Martin Amis: Interview, 1999 und eine Website
 

Juli 1998

James Lee Burke: Cimarron Rose
Morton Harry Olsen: Die Osiris-Morde 
Iain Banks: A Song of Stone
Elmore Leonard: Zuckerschnute
Donna Masini: Alles über Yvonne
James Crumley: Jeder gräbt sein eigenes Grab
Anonymous: Mit aller Macht

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