[ august 1999 ]
Die Helden verlieren, und wir gewinnen: Mitchell Schmiths Reprisal
 

Reprisal

Mitchell Smith hatte noch nie sonderlich großes Einsehen mit seinen Helden. Nein, sie vor Unheil zu verschonen, sie zu beschützen war seine Sache niemals, von seinem Erstling Day Dreams angefangen. Er quält sie, fügt ihnen Schmerz zu, bis er sie an die Grenze bringt, bis sie es nicht mehr aushalten, bis sie zurückschlagen, sich wehren, unter Gewalteinsatz wehren, weil sie sehen, dass nichts mehr zu verlieren ist. Sie verlieren ihre Freunde, ihre Häuser, ihre Töchter, sie verlieren den Mittelpunkt ihres Daseins. Und wenn es am Ende etwas zu hoffen gibt, dann meist nur, dass es vielleicht - irgendwo, irgendwann - einen Neuanfang geben kann. Das alte Leben ist verloren, unwiderruflich. Aber vielleicht, vielleicht gibt es mit etwas Glück ja noch Hoffnung auf ein neues - nicht mehr ganz so bunt, ganz so glücklich, aber auch nicht mehr vom Schmerz gezeichnet.

In seinem soeben in den Staaten erschienen sechsten Roman, geht Mitchell nun einen Schritt weiter. Eine Frau, die eine Brust an den Krebs verloren hat, verliert ihren Mann an die See, ihren Vater an das Feuer, ihre Tochter an die Luft. Bleibt die Erde, die sich noch nichts geholt hat. Aber sie kommt, sie kommt ...

Wem das zu wenig über den Inhalt von Reprisal ist, der soll zu anderer Lektüre greifen. Wir verheißen, wir verraten nicht. Mitchells Band Reprisal lebt von so viel Feinheit im Detail, lebt neben Smiths grandioser Sprache, die zwischen Lakonischem und Lyrischem schwankt, vor allem vom langsamen Entfalten einer Geschichte, in der es nicht nur die eine Frau gibt. Und dies Entfalten wollen wir keinem nehmen, schließlich packen wir auch niemandes Weihnachtsgeschenke aus. (jw)

Dutton EP & co inc.& Viking 1999


Juli 1999

Holly-Jane Rehlens: Mazel Tov in Las Vegas
Jay McInerney: Letzter Schrei

Juni 1999

Harold Nebenzal: Der Löwenkult
Elisabeth George: Im Angesicht des Feindes
Jean-Pierre Gattégno: Schnee auf den Gräbern

April 1999

Harold Nebenzal: Der Löwenkult
Elisabeth George: Im Angesicht des Feindes
Jean-Pierre Gattégno: Schnee auf den Gräbern

März 1999

Scott Smith: Ein ganz einfacher Plan
Georg M. Oswald: Lichtenbergs Fall
Zachary Klein: Die Lebenden und die Toten

Februar 1999

Olivia Kl