Herrad Schenk: Wieviel Mutter braucht der Mensch?


Herrad Schenk legt ein überaus interessantes Buch über Mutterideologie und Identitätskonflikte von Frauen um Mutterschaft vor. Sie geht dem Konflikt nach, den viele Frauen austragen - gerade auch die, die mit 'Feminismus' nichts am Hut haben wollen -: Wie denn Kind und Beruf vereint werden können. Oder, in Schenks Worten: Wie kann eine Frau zugleich Mutter und Mensch sein, selbstbestimmte Lebensentwürfe haben und zugleich eine 'gute Mutter' sein. Die Autorin zeigt, daß die Gegenüberstellung von autonomem Individuum, sprich: berufstätiger Frau, und gesellschaftlichen Anforderungen an die Mutterrolle historisch neu ist.

Der 'Mythos von der guten Mutter' (so der Untertitel des Buches und Schenks These) hat sich nicht nur in gesteigerten Anforderungen der Gesellschaft an Mütter niedergeschlagen. Auch Teile der Frauenbewegung haben nach der rigorosen Ablehnung alles 'Mütterlichen' in den 70ern ein Jahrzehnt später gerade an die Fähigkeiten von Frauen zu gebähren und zu muttern ihre Hoffnung geknüpft, die patriarchalische Gesellschaft zu verbessern. Schenk geht mit Übermutterung und mutterzentrierter Erziehung ebenso scharf wie mit der Ideologie des "Ewig-Weiblichen" ins Gericht.

Wie in ihrem zum Klassiker in Frauenforschung und -bewegung avancierten Werk über die historischen Wurzeln der Frauenbewegung, "Die feministische Herausforderung", legt die Autorin auch in ihrer jüngsten Abhandlung Wert auf historische Bezüge. Sie erläutert, wie Mutterschaft früher und wie sie heute normativ gesehen wird; dazu werden erhellende Ergebnisse jüngster Untersuchungen angeführt. Nach der Hochkonjunktur der "Neuen Mütterlichkeit" in den 80er Jahren sieht Schenk aber hoffnungsfroh eine Gegenbewegung sich anbahnen, die der Rolle der Supermutter eine Absage erteilt und eine pragmatischere Einstellung zur Mütterlichkeit fordert. Mit diesem parteilichen und optimistischen Fazit schließt sie. Und auch wir schließen mit der wärmsten Leseempfehlung für das Buch, und wir hoffen, daß Schenks Beitrag in die Diskussion um Vereinbarkeit von Kind und Karriere breiten Eingang findet.

Kiepenheuer & Witsch 34,-