Mehr als eine Phrasendreschmaschine

Michael Moeller über ein Buch von Franz Benno Delonge

Daß jemand Politikerphrasen sammelt, ist nicht sehr aufregend. Schließlich quellen die Medien davon über. Wenn der Sammler aber Jurist ist und die Buchidee entwickelt, während er im Schalck-Ausschuß sitzt, wird es bereits interessanter. Erhellend und erheiternd ist, was Delonge aufgespießt und vor allem: wie er es aufbereitet hat.

Die kurze Einleitung entwickelt den satirischen Funken: Mit diesem Sprachführer könne endlich jeder das schwere Handwerk des Politikers erlernen, wird behauptet. Die Benutzung des kleinen Lexikons rüste den Willigen für alle Fälle, wenn er oder sie,nur drei Regeln beachtet. Die erste: "Was den Wählern Ihrer Partei nützt, ist richtig; was diesem Personenkreis schadet, ist falsch." Das simple Konzept hat der Autor im Detail aufgespürt, alphabetisch geordnet und dennoch mehr zum Durchlesen als zum Nachschlagen einladend. Der Untertitel ("für jeden Anlaß") verspricht hier zu viel, denn es ist leider nicht möglich, den nächsten wichtigen Rede-Anlaß nachzuschlagen, um dann mit einer Auswahl praktikabler Seifenblasen bedient zu werden. (Vielleicht ist dies aber auch ein Glück – das Büchlein käme sonst noch in die falschen Hände!)

Stures Vokabelpauken ist trotzdem nicht angesagt. Die einzelnen Worterklärungen sind zum Teil entwaffnend komisch und bisweilen auf sehr unterkühlte Weise entlarvend. Nicht nur Volksvertreter bekommen dabei ihr Fett weg; der Leser erkennt hinter seinem Lachen womöglich eigene Sprach- und Denkklischees. Wenn unter dem Stichwort "Mitbürger" lakonisch vermerkt wird: "Angehörige von Randgruppen", so erschließt sich das zugrundeliegende perfide Politikverständnis erst nach und nach. Stichwort "Bürgerinnen und Bürger": "Mit diesem Terminus werden die einfacheren Schichten der Bevölkerung bezeichnet. Sie selbst gehören nicht dazu, machen aber immerhin eine bürgernahe Politik und belegen Ihre Bürgernähe vor allem durch Ihre Hemdsärmeligkeit." Dem Autor gelingt es oft, den geheimen Botschaften solcher Phrasen auf die Spur zu kommen: "Appell: Als Appell bezeichnen Sie eine Forderung, deren Erfüllung sogar sie selbst für unwahrscheinlich halten. Typische Adressaten eines Appells sind als beispielsweise blutrünstige ausländische Machthaber, die Tarifpartner oder der politische Gegner." Wissen Sie noch, wer wann zuletzt an wen appelliert hat? Sehen Sie! Es funktioniert.

Die Querverweise sind stellenweise sehr vergnüglich, erschließen sie doch Denkzusammenhänge auf die kürzest vorstellbare Weise. Am beliebtesten ist hier der Hinweis auf die "Absage", zumeist die "klare": "Es kann nie schaden, irgendwelchen Dingen eine Absage zu erteilen. Sogar wenn es um etwas geht, was eigentlich überhaupt niemand gut findet, ist die Erteilung einer klaren Absage durch Sie keineswegs überflüssig." Deshalb wird also jeden Tag so viel Abschlägiges erteilt.

Das Buch wird Ihnen Spaß machen, wenn Sie wissen wollen, wieso Sie sich beim Hören so mancher Rede unwohl fühlen. Und wenn Sie jemanden kennen, der für die Medien schreibt, schenken Sie es ihm oder ihr. Und: Schlagen Sie mal unter "Echternacher Springprozession" nach!

Franz Benno Delonge: Deutsch für Schaumschläger, Rhetorisches Leergut für jeden. Eichborn Verlag