Teresa Kulawik/ Birgit Sauer (Hg.): Der halbierte Staat -

Grundlagen feministischer Politikwissenschaft, Campus.

Besprochen von Christine Mühlbach.

Feministische Theorie hat sich lange Jahre nicht um den Staat bemüht. Staatstheorie, so schien es fast, war Männersache. Erst in den vergangenen zehn Jahren hat es Ansätze aus verschiendenster Richtung gegeben, die die Auswirkungen staatlicher Politik auf die Ungleichheit der Geschlechter untersuchen. Von solchen 'policy-orientieren' Ansätzen ausgehend, bündelt der vorliegende Band Der halbierte Staat die Diskussionen um Staat, Staatshandeln und um staatliche Institutionen und zeigt den Weg zu einem Forschungsprogramm, das 'den Staat' in das Zentrum einer politik- und frauentheoretischen Sicht rückt. Der halbierte Staat: der Titel gibt These und Programm wider, um das die Aufsätze des Sammelbandes kreisen: Der Staat, sein Handeln und seine Ordnung sind nach Geschlechtern geteilt, so die Ausgangsthese. Die These ist pointiert formuliert, ihre Differenzierung erfolgt in den Beiträgen des Bandes.

Die Maßangabe im Titel des Buches möchten die Herausgeberinnen als ein Symbol für die 'Geteiltheit' des Staates, als Metapher dafür, daß "der Staat" nicht neutral, eben auch nicht geschlechtsneutral ist. Auf vier Ebenen ist die "Geschlechtlichkeit" des Staates zu thematisieren und zu untersuchen, so der gemeinsame Nenner aller Beiträge des Bandes. Erstens haben Debatten um Staatsfundierung, um die Subjekte der Staatsgründung gezeigt, daß Frauen nicht mitgedacht werden im Gesellschaftsvertrag: weder auf der legitimatorischen Ebene, noch historisch wurden ihnen staatsbürgerliche Rechte zugestanden. Zweitens trifft Staatshandeln Männer und Frauen unterschiedlich. Drittens ist der Staatsapparat männlich; die meisten Beamten in Spitzenpositionen sind Männer. Und viertens hat auch die Politikwissenschaft die Geteiltheit des Staates ignoriert, und Mainstream-Theorien insistieren auf der Neutralität des Staates.

In ihrer Einführung zum Verhältnis von 'Staatstätigkeit und Geschlechterverhältnis' geben die Herausgeberinnen Kulawik und Sauer einen sehr guten und informativen Überblick über den state of the art. Sie erläutern, warum Staatstheorie durch die Frauenforschung vernachlässigt wurde: wie ein Antietatismus der Frauenbewegung und der Marxismus als 'herrschende Lehre' breite Teile der Frauenforschung beeinflußt haben. Sie berichten von der Konzentrierung in der Frauenforschung auf die Analyse bestimmter Maßnahmen des Staates (Policy-Orientierung). Sie erklären, warum der Staat halbiert ist und wie feministische Politikwissenschaft bislang darauf reagiert hat.

Der Analyse von Kulawik und Sauer folgen die Beiträge des Bandes. Sie thematisieren, wie der Staat halbiert ist. Es werden zwei Bereiche behandelt: Die Konzeptualisierung des Staates, von Policy (Staatshandeln) und Geschlechterverhältnis zum einen, die Begrifflichkeit, mit der man einen solchen Staat fassen soll, zum anderen. Konkret: Reproduziert der Staat patriarchale Herrschaftsverhältnisse oder ist er selbst männlich, weil er männliche Interessen vertritt? Und tut er das auf Kosten von Frauen? Gibt es überhaupt männliche Interessen, oder ist solch eine Idee essentialisierend?

Die Beiträge selbst rangieren von den eher klassischen Feldern sozialwissenschaftlicher Frauenforschung: von Arbeitsmarkt-, Sozial- und Rechtspolitik bis hin zu Körperpolitik, Korporatismustheorie und Gleichstellungspolitik. Sie sind allesamt sehr lesenswert und führen Diskussions- und Forschungsstränge in den jeweiligen Bereichen gekonnt zusammen. Insgesamt ist mit dem Band das verfolgte Unternehmen einer feministischen Standortbestimmung in den Politikwissenschaften ausgezeichnet gelungen.

Campus, DM 38