BiN: Das Bild des Haffmans Verlages hat sich in nunmehr 13 Jahren doch erheblich verändert, und vieles, was einst im Fahrplan des Verlags geschrieben stand, mußte auch aufgegeben werden. Wie würden Sie selbst den Wandel Ihres Hauses beschreiben? Und inwiefern folgte der Wandel schlichten ökonomischen Zwängen?
Das wäre ein trübes Zeichen, wenn sich der Verlag in numehr
13 Jahren nicht gewandelt hätte. Daß wir Positionen aufgegeben
haben, stimmt schlicht nicht. Allerdings sind einige neue Programmfelder
dazugekommen. Der Haffmans ist 1982 angetreten mit:
Erstens: Neuer Deutscher Literatur, und zwar mit ihren gewetzteren
Autoren: Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid, Hans Wollschläger. Dann
sind im Verlauf der Verlagsgeschichte hinzugekommen: Bernd Eilert, Gisbert
Haefs, Joseph v. Westphalen, Gerhard Polt, Max Goldt, Frank Schulz, Harry
Rowohlt, Karla Schneider, Margit Schreiner, und dann die Krimiautoren Conny
Lens und Karr & Wehner.
Zweitens haben wir von Anfang an Klassiker in Neueditionen oder
Neuübersetzungen gebracht, also nicht den Mainstream, sondern nur,
wenn man einen Autor dadurch neu präsentieren kann, und so liegen
inzwischen immerjin vor: der ganze Sherlock Holmes in einer neuen, getreuen,
original viktorianischen Übersetzung (deutsch von Gisbert Haefs, Hans
Wolf u.a.), der ganze Tristam Shandy (deutsch von Michael Walter), Ambrose
Bierce (deutsch von Gisbert Haefs u.a.), Rudyard Kipling (deutsch von Gisbert
Haefs), G.K. Chesterton (deutsch von Hans-Wilhelm Haefs), E.A. Poe (deutsch
von Arno Schmidt und Hans Wollschläger), der Hausheilige Arthur Schopenhauer
(erstmals getreu den Ausgaben letzter Hand, herausgegeben von Ludger Lütkehaus)
und natürlich der große Arno Schmidt, wo nach zehn Jahren
die Bargfelder Ausgabe bis auf Zettels Traum endlich vollendet vorliegt.
Drittens: Die Haffmans Helfende Hand-Bibliothek gab es als ironische
Geschenkbuchreihe seit dem ersten Verlagsjahr, das Literaturmagazin Der
Rabe hat es inzwischen auf 44 Nummern gebracht. Grafik und Cartoons:
wir haben angefangen mit Bildergeschichten und Bildergedichten von Robert
Gernhardt, über Felicien Rops, bis zum Großen Buch der Zeichnerei
von F.W. Bernstein; haben gebracht Nikolaus Heidelbach, Volker Kriegel,
Michael Sowa, und in diesem Jahr wird die Tradition fortgesetzt mit Büchern
von Hans Traxler, Ernst Kahl und Charles M. Schulz.
Sicher hat es, spätestens seit 1992, einen Programmöffnung
gegeben, die vermehrt den Krimi einbezieht, auch Science-Fiction,
aber auch hier nach dem Pribzip, daß die Qualität wichtiger
ist als die Gattungszugehörigkeit. Auch hier machen wir Autoren, nicht
Bücher. Autoren wie Philip K. Dick, Kinky Friedman, David M. Pierce,
Thomas Adcock, Bob Leuci, Walter Satterthwait, Geogre Baxt. Und wir haben
mit Julian Barnes, David Lodge, Stephen Fry, Monty Python, Michael Palin
und jetzt Harold Nebenzaal und David Thomas die Elite der literarischen
Entertainer Englands versammelt. Diese Bücher machen wir mit
größtem Vetnügen, wenn sie sich auch verkaufen, ist dies
kein Nachteil. Sie sind sicher nicht aus ökonomischen Sachzwöngen
ins Programm gehievt worden. 1992 ist uns mit Robert Harris, Vaterland
- an das sich kein deutscher Verlag wagen wollte - ein außerordentlicher
Bestseller gelungen, der uns über die Grenzen des Literaturbetriebs
bekanntgemacht hat. Aber solche Erfolge hatten wir auch schon früher,
etwa mit Gerhard Polt und sogar mit Arno Schmidt, mit der Ersten Zürcher
Kassette, die wir 1984 zweiundzwanzigtausendmal verkauft haben.
BiN: Welche Rolle spielen für Sie heute die verschiedenen Kooperationen mit anderen Verlagen, insbesondere die mit Heyne? Und wie stark sind Sie eigentlich noch mit Joachim Unselds Frankfurter Verlagsanstalt verbandelt?
Die Kooperation mit Heyne ist eine denkbar einfache und kollegiale:
wir bieten dem Heyne-Verlag unsere Titel zuerst zur Übernahme ins
Taschenbuch an. Wenn er nicht will oder nicht auf das beste Angebot einsteigen
mag, sind wir frei, es anderen Taschenbuchverlagen anzubieten.
Wir haben die Frankfurter Verlagsanstalt an Joachim Unseld weiterverkauft
und ihm hoffentlich zu einem guten Start verholfen, indem wir viele Dienstleistungen
für ihn übernommen haben, die sonst für ihn nur mit einem
größeren Apparat möglich gewesen wären.
BiN: Nach wie vor hat Ihr Programm ja einen starken angelsächsischen Schwerpunkt. Wie gut läßt sich diese spezielle Art insbesondere britischer Literatur in Deutschland denn an Mann und Frau bringen? Wie steht es um so jemanden wie Julian Barnes, der in England ja nun wirklich groß ist, den aber hierzulande immer noch viele nicht kennen? Wie verschieden ist der deutsche Leser, sofern es ihn gibt, vom englischen?
Wenn einer von den britischen Autoren auch in deutschen Landen durchgesetzt
ist, dann sicherlich Julian Barnes. Er gehört auch hier zu den anerkannten
literarischen Größen, und zwar mit Erscheinen seines ersten
Buchs auf deutsch: Flauberts Papagei, das, was bei einem Buch ganz
ganz selten ist, unisono von Spigel, Zeit, FAZ, Süddeutscher Zeitung,
Frankfurter Rundschau und diversen Literaturmagazinen in Funk und Fernsehen
begeistert bis hymnisch aufgenommen worden wurde.
Und wenn ein Autor von seiner Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapitel
über sechzigtausend Exemplare verkauft, so kann man gewiß nicht
von einem hier unbekannten Autor sprechen. Sicher ist Stephen Fry hier
nicht so berühmt wie in England, aber auch das hat sich schon mit
dem zweiten Buch gesteigert, während David Lodge wiederum eine gestandene
Gestalt auch in diesem Literaturbetrieb ist und der mit jedem neuen Buch
sein Publikum vergrößert.
BiN: Sie haben gerade die Wielandsche Shakespeare Übersetzung abgeschlossen und planen für den Winter den Briefband Flaubert/Colet. Wie wichtig ist heute die "Klassiker-Schiene" des Verlags, und wie wichtig wird sie in Zukunft sein? Was macht Kipling? Und wird es die Oscar Wilde Übersetzung Hans Wolfs geben, nachdem Hans Wollschläger nie weitergemacht hat?
Klassiker werden, wie eingangs berichtet, weitergepflegt. Wir
beginnen in diesem Jahr endlich und engültigt mit der Flaubert-Werkausgabe,
und zwar mit dem Briefwechsel Flaubert/Lousie Colet. Kipling muß
derzeit etwas ruhen, weil wir doch abwarten müssen, wie es mit der
Copyright-Bewegung in England weitergeht. Da harren noch manche Knabenmorgenblütenträume
ihrer Erfüllung, so auch der Oscar Wilde.
BiN: Wie wird es weitergehen? Können Sie schon etwas übers Frühjahr verraten? Und wie, denken Sie, werden die nächsten 13 Jahre Haffmans aussehen?
Es wird ein traumhaftes Frühlingsprogramm 1996 mit einer unzeitigen
Marien-Erscheinung in Dublin, mit dem ersten Roman des Monty-Python-Stars
Michael Palin und mit einem geradzu sensationellen deutschen Roman namens
Neuschwanstein, so daß wir dann in spätestens weiteren
dreizehn Jahren das einlösen können, was wir in unserer allerersten
Vorschau zum Herbst 1982 geschrieben haben, nämlich, daß wir
hier in aller Bescheidenheit, aber Bestimmtheit die Führungsrolle
unter den deutschsprachigen Verlagen einnehmen wollen. Die unterhaltsame
Frühlingsrolle folgt bereits 1996.
Die Fragen von BiN beantwortete Gerd Haffmans am 25. August 1995.
Ein Portrait aus dem Jahr 1995 von Steffen Huck.