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Die FVA ist wieder da!
Einst erschienen bei der FVA Arno Schmidts Umsiedler und Alfred
Anderschs Kirschen der Freiheit. Dann verschwand der Verlag ein
erstes Mal, bis er, von Klaus Schöffling wieder belebt, in der Mitte
der 80er wieder zu den profilreichsten deutschen Verlagen mittlerer Größe
zählte, wenn auch nicht zu den erfolgreichsten: Mit finanziellen Probleme
handelte man sich einen Kaufmann ein und mit diesem schon bald Differenzen
aller Art. Die FVA ging an Haffmans und dämmerte dort vor sich hin,
bis sie nun im Herbst 95 ein zweites Mal wachgeküßt wurde. Diesmal
hieß der Prinz Joachim Unseld.
Mit sieben Büchern ging sie an den Start, und als erstes fiel die
Gestaltung auf: das hübsche neue Logo (ein trompetender Elefant) und
die sehr schönen, sehr unterschiedlichen und doch einer Linie entsprechenden
Umschläge von Bertsch & Holst. Als zweites dann freilich das Programm.
Keinem speziellen Sprachraum scheint man verpflichtet, keinem Genre besonders
wohl gewogen, verlegt wird, wie es scheint, was dem Verleger gefällt,
und das ist gut so.
Haupttitel war Paule Constantes Die Tochter des Gobernators,
ein Roman aus dem Französischen, der aus der Perspektive einer Siebenjährigen
erzählt, die mit ihren Eltern nach Cayenne gehen mußte, wo der
Vater, ein Kriegsheld, einen Gouverneursposten antritt. Kindheitserinnerungen
und Kinderhelden in der Literatur sind zumeist eine prekäre Sache,
und oft gehts daneben. Bei Paule Constante nicht. Und so ist der Roman
so gelungen wie spannend und vielschichtig.
Ebenfalls aus dem Französischen kommt Yann Queffelecs Roman Lena
in der Nacht - ein Thriller über die Ausgestoßenen und Illegalen
im Lande Mitterands (das Buch erschien im Original 1994). Die Geschichte
ist tragisch und Queffellecs Buch, aus dem zur Zeit ein Film wird, aufrüttelnd
und fesselnd - man mag sie kaum weglegen, bevor man das Ende gelesen hat.
Dann gibt es da einen Erzählband aus dem Katalanischen: Der
Grund der Dinge von Quim Monzo. Die 21 kurzen Geschichten schwanken
zwar in ihrer Qualität, aber einige sind darunter, die sind brillant.
(In der tat sind sie so gut, daß völlig klar ist, daß
nicht alle anderen so gut sein können.) Wirklich großartig
zum Beispiel Gegen Halb Eins - ein Dialog von einem Mann und einer
Frau, bei dem man weder weiß, ob man brüllen soll vor Komik
oder Beklemmung, noch was Spiel ist oder Ernst.
Aus Amerika kommt Dagoberto Gilb. Der letzte bekannte Wohnsitz des
Mickey Acuna - übertragen von dem großartigen Werner Schmitz
- handelt von einem jungen Mann, der sich eines Tages in ein YMCA einquartiert,
auf Post wartet und sich in den Erzählungen, die er dort zum besten
gibt (er avanciert mit ihnen gewissermaßen zum Star des YMCA), immer
neu erfindet. Wahrheit & Lüge, Geschichte & Fiktion werden
immer schwerer zu trennen, bis schließlich ein Mord geschieht.
Neben diesen Übersetzungen gibt es aber auch Deutsches in der neuen
FVA. Zum einen wird die von Schöffling begonnene Ror Wolf Ausgabe
fortgesetzt, zum anderen stellt Unseld junior einen Autor vor, der vor
einigen Jahren seine erste Veröffentlichung nur deshalb nicht erlebte,
weil Franz Greno seinen Verlag auflösen mußte. Damals sollte
ein ganzer Romanzyklus von Ernst Wilhelm Händler erscheinen. Jetzt
bringt die FVA zunächst einmal 11 Geschichten, die in dem Band Stadt
mit Häusern versammelt sind. Und die Geschichten, die durch die
Vielfalt des Händlerschen Ausdrucksvermögen, seine technische
Brillanz beeindrucken, machen Appetit auf mehr. Und so darf man sich schon
freuen auf den nächsten Herbst. Da beginnt die FVA nämlich mit
der Herausgabe des Romanzyklus, von dem einer, den ich kenne, ein Kenner,
der die Möglichkeit hatte, darin zu lesen, sagte, daß dies das
Erstaunlichste sei, was ihm in der deutschen Prosa im letzten Jahrzehnt
begegnet ist.
Die Frankfurter Verlagsanstalt, die Doktor Unseld gemeinsam mit Dagmar
Fretter führt, ist also schon mit ihrem ersten neuen Programm dorthin
gestiegen, wo man sie einst wußte und schätzte. Und wenn der
Verlag mit derselben Verve weitermacht, wird man sich auf einiges noch
gefaßt machen dürfen. Wir wünschen der FVA jedenfalls viel
Erfolg!
Steffen Huck
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