BiN fragt, Eichborn antwortet


BiN: Was waren die Highlights der Verlagsgeschichte?

Angaben über Highlights der Verlagsgeschichte können bei einem so bunten Programm und solch großer Titelfülle natürlich nur sujektiv sein: Walter Moers muß da natürlich ganz vorn genannt sein, Verkaufserfolge wie "Total tote Hose" (noch immer das meistverkaufte Buch des Verlags), "Der große Boss" aber auch Irene Disches "Fromme Lügen" aus der Anderen Bibliothek, die Titel von W.G. Sebald, einem der besten Prosaisten Deutschlands, Simone Borowiaks enorm witzige Kurzromane oder "der Campus" von Dietrich Schwanitz, der ja Ende des Jahres 1998 auch in die deutschen Kinos kommt. Auf Platz eins der Bestsellerliste waren wir nur einmal - beim Sachbuch, mit Richard von Weizäckers Interviewbuch. Fast alle Titel von Moers sind allerdings wesentlich häufiger verkauft, die kommen nur nie auf die Listen. Dazu kommen im Sachbuch Titel wie "Das Lexikon der Populären Irrtümer" von Krämer/ Trenkler oder Rudi Pallas Kompendium der ausgestorbenen Berufe - das sind Bücher, in denen man stundenlang mit höchstem Vergnügen blättern kann. Wir sind aber auch immer wieder auf Titel stolz, die nicht in riesigen Stückzahlen verkauft wurden. Für mich war z.B. "Der Himmel über Madrid" von Luis Martín-Santos, einem der ganz großen Neuerer der Weltliteratur, ein immenses Leseerlebnis.
 

BiN: Wie würden Sie selbst das Profil Ihres Hauses beschreiben? Welche Rolle spielt dabei die neuere deutsche Literatur?

Das Profil des Hauses ist eben der Eichborn-Spagat. Humor muß ja nicht dumm sein, genausowenig wie Literatur langweilig sein muß. Die Bücher müssen uns selbst Spaß machen, interessieren oder zum Nachdenken anregen. Und am liebsten sind uns - auf allen Feldern - schräge Bücher, Bücher, die gegen den Strich gehen. Ob das jetzt Petra Morsbachs Romankoloß "Und plötzlich ist es Abend" ist, der mit der Innerlichkeitsprosa, die ja doch immer noch in Deutschland herrscht, bricht und enorme Stoffülle vermittelt. Oder das "Insektenkochbuch" von Bruno Comby. Oder John Callahans Behindertencomics - endlich mal einer, der was den Humor angeht Randgruppen nicht ghettoisiert.
Die neuere deutsche Literatur ist uns natürlich besonders wichtig. Wir sind ein junger Verlag mit junger Mannschaft (im Durchschnitt ca. 35 Jahre) - die zeitgemäße Literatur wollen wir bei uns noch stärken. Die Namen Sebald, Schwanitz, Borowiak, Morsbach sprechen für sich. Die Stärkung der junge Literatur in unserem Programm war auch ein Grund, uns mit Gatza zusammenzutun.
 

BiN: Können Sie uns die Zusammenarbeit mit Gatza erläutern? Und erwägen Sie ähnliche Projekte auch für die Zukunft?

Thomas Hack und Mathias Gatza machen das Programm "Gatza bei Eichborn" und kümmern sich um Inhalte und Ausstattung der Bücher. So war es vorher und so ist es jetzt. Die beiden sind bei uns als Herausgeber ihrer Reihe tätig. Eichborn übernimmt verlegerisches Risiko, Vertrieb, Presse und Lizenzgeschäfte. So können wir die Erfolge, die der Gatza Verlag seines kleinen Apparats wegen nicht umsetzen konnte, für beide Parteien nutzen. Unsere Kontakte zu Händlern, Nebenmärkten, und Lizenznehmern sind - auch wegen der ANDEREN BIBLIOTHEK - ungleich besser als die des früheren Gatza Verlages. Der machte tolle Bücher, hatte aber für den Verkauf kaum mehr Personal und Zeit. Das ist jetzt anders.
Ob weitere Projekte möglich sind? Projekte aller Art sind möglich - aber es ist weder in näherer noch fernerer Zukunft etwas geplant. Wir wollen uns erst mal um die bestehenden Programmlinien und um das junge Projekt Gatza bei Eichborn kümmern, bevor wir wieder Zukunftsmusik machen.
 

BiN: Wie beurteilen Sie die Zukunft des Verlags? Was bedeutet der Ausstieg von Vito von Eichborn für das Haus?

Die Zukunft des Verlages? - Ausbau der Stärken, Abbau der Schwächen. Das Programm soll in etwa gleich groß bleiben, Expansion ist erst mal nicht gefragt, sondern Optimierung. Die Covergestaltung trägt ein neues Gesicht, in der Ausstattung soll es im Hauptprogramm Verbesserungen geben - das Herbstprogramm wird das zeigen. Wir wollen die Programmlinien noch schärfer konturieren, und bestehende Ressourcen (alte Rechte) stärker nutzen als bisher. Die Verträge mit Greno und Enzensberger sind bis 1999 verlängert. Ansonsten fahren wir ja sehr gut mit unserem Konzept, unser Backlistanteil am Gesamtumsatz z.B. ist für einen jungen Verlag erstaunlich gut. Die Schwierigkeiten, die wir hatten hingen mit der internen Organisation zusammen, mit der Zusammenarbeit, dem Informationsfluß, dem Ineinandergreifen der verschiedenen Verlagszahnräder, nicht mit dem Programm. Vito von Eichborn ist mehr Programmmacher als Organisator - jetzt macht er wieder das, was er am besten kann und was ihm am meisten Spaß macht - Bücher. In Grunde ist alles beim alten geblieben - und im Grunde wollen wir auch nichts verändern.
 

BiN: Wie sehen Sie die künftige Entwicklung der Verlagsbranche insgesamt? Und wie die Situation kleinerer Verlage?

Die Zukunft der Verlagsszene ist nicht schlecht - es werden mehr Bücher gemacht als je und mehr verkauft. Nur sind es eben extrem viele Anbieter. Man muß natürlich aufpassen, daß die heranwachsende Generation das Buch für sich entdeckt und nicht völlig zum Fernsehen und den neuen Medien abwandert. Für mittlere und kleinere wird es allerdings immer schwerer - wenn sie en miniature das tun was alle anderen Großen tun. Originelles wird aber nach wie vor eine Chance haben. Zudem können die Kleinen ja anfangen, sich über gemeinsame Werbung, gemeinsame Vertreter usw. Gedanken zu machen und Verbundkonzepte zu entwickeln. Da liegt ein weites Feld offen.