Eichborn über Eichborn


Mit 200 000 DM aus einem Immobiliengeschäft fing alles an. Mit diesen Startkapital in der Tasche suchte Fischer-Lektor Vito von Eichborn auf der Frankfurter Messe 1980 einen kaufmännischen Partner - und fand ihn in Dr. Kierzek, Inhaber der Fuldaer Verlagsanstalt. Der legte dieselbe Summe zu, Eichborn stieg bei Fischer aus und die beiden gründeten einen neune Verlag: den Vito von Eichborn GmbH & Co Verlag KG. Im privaten Hinterzimmer wurde das erste Programm zusammengestellt - eine Mischung aus Weltliteratur (Kobo Abe), politischem Engagement, Sponti-Büchern und Humor. In seiner bunt gemischten Grundstruktur - dem schon sprichwörtlich gewordenen 'Eichborn-Spagat' aus Kunst und Komerz - hat sich also bis heute nichts geändert.

Nach ersten Erfolgen ('Domenica', 'Tante Linas Kriegskochbuch', 'Total tote Hose') vergrößerte sich das junge Unternehmen schnell und zog - fünf Mann stark - ins neue Domizil im Sachsenhäuser Landwehrweg. Bald gab es ersten mit Erich Rauschenbach die ersten Cartoobände. 1984 kam der erste Walter Moers unverlangt als Manuskript in den Verlag, Vito von Eichborn sagte dem damals völlig unbekannten Zeichner sofort zu. Heute ist Moers mit insgesamt etwa 2 Millionen verkauften Büchern einer der Hauptumsatzträger des Verlags und wurde von der Presse zur 'Kultfigur der neunziger Jahre' gekrönt. Trotz einiger Krisen - zweimal stand der Verlag kurz vor dem Aus - expandierte das Unternehmen und die Umsätze schnellten in die Höhe: sieben Millionen Mark Umsatz waren es im Jahre 1988, ca. 15 Million 1990 und 23,5 Millionen im Jahre 1993. Der deutlich gewachsene Verlahg, eine der erfolgreichsten unabhängigen Neugründungen seit den fünfziger Jahren, zog in größere Büroräume in die Hanauer Landstraße. Der Grund für das schnelle Wachstum lag zum Teil am Boom der Humorbücher, zum anderen an einer nochmaligen Ausweitung des Programms. 1989 übernahm Eichborn die rennomierte 'Andere Bibliothek' des schiffbrüchigen Greno-Verlages und landete mit Irene Disches 'Fromme Lügen' gleich den ersten großen Erfolg, 1992 begann er mit dem Ausbau des Cartoon-Bereiches durch Kalender und Merchandising-Produkte, die heute ca. 5% (??) des Umsatzes ausmachen.

Um den wachsenden Kapitalbedarf zu decken, haben sich die Unternehmen Edmond de Rothscild, La Savoisienne und COM2i als stille Gesellschafter mit DM 7 Million Einlage am Unternehmen beteiligt. Nach neuen Umzug (nun ins Grenzgebiet zwischen Deutscher Bank und Rotlichviertel in der Frankfurter Kaiserstraße) und kurzfristiger weiterer Vergrößerung des Titelvolumens auf ca 200 Bücher pro Jahr, bei denen Eichborn im neueröffneten Kinderbuchbereich und bei Reihen wie 'Eichborns Taschenuni' eine empfindliche Niederlage einstecken mußte, gab es trotz Bestsellern wie 'Richard von Weizäcker im Gespräch' und 'Frau Rettich die Czerny und Ich' von Simone Borowiak eine Krise. Vito von Eichborn trat als Geschäftsführer zurück und ist nun noch als Lektor tätig, während das Trio Uwe Gruhle (Programm/Koordination), Ulle Bettermann (Herstellung) und Andreas Horn (Vertrieb) die operative Leitung übernahmen.

In der Konsolidierungsphase wurde das das Titelvolumen wurde auf ca. 140 Bücher pro Jahr verschlankt, die Mitarbeiterzahl auf 30 reduziert; der Umsatz mit ca. 24,5 Millionen konnte trotzdem beibehalten werden.

Bücher aus allen Programmbereichen wie die öffentlickeitswirksamen Bestseller Dietrich Schwanitz 'Der Campus', Petra Morsbach 'Plötzlich ist es Abend', Hans Magnus Enzensbergers Anti-Reise Anthologie 'Nie Wieder', Hesse/Schrader 'Die Neurosen der Chefs', Wolfram Siebeck 'Ich kochte das Dinner for One' und stille Verkaufsgrößen wie Walter Moers, Erich Rauschenbach, Holger Aue, 'Das offizielle Lindenstraßenbuch' und eine Reihe erfolgreicher Humorbücher halfen, die kurzfristige Finanzknappheit zu überdecken. Anfang 1996 sah sich das Unternehmen wieder in der Lage, mit der Edition 'Gatza bei Eichborn' seine Fühler nach Berlin auszustrecken. Die vor allem für ihr Gespür für junge deutsche Autoren, Kulturgeschichte und bestürzend schöne Coffe-Table-Books ('Hotels' von Lis Künzli und Cyrano de Bergeracs 'Herzstiche') zu einigen Insiderruhm gelangten Berliner Mattias Gatza und Thomas Hack geben in dieser Reihe ca. acht Titel pro Jahr heraus. Die ersten vier sind gerade (Anfang April) erschienen. Hoffnungsfrohe Zeichen für ein gutes Geschäftsjahr 1996 setzten neben diesen Titeln Bücher aus allen Bereichen des so breit gestreuten Eichborn-Programms: In der 'Anderen Bibiliothek' (oder 'in der Literatur'??) gelang mit Jean Pauls "Ideengewimmel. Unveröffentlichtes aus dem Nachlaß" ein aufsehenerregender Coup, im Sachbuch sind - nach nur zwei Wochen - von den "Populären Irrtümern" des Autorenduos Krämer/Trenkler schon zwei Auflagen verkauft, beim Geschenkbuch boomt das "Wetten Daß..?'-Buch, und im Humor sind mit Martin Baxendales 'Baby'-Büchern, Klaus Puths Gänsecartoons und Witzesammlungen wie 'Die Rache der Blondinen. Schmutzige Witze für Frauen' echte Kassenschlager gelungen.

Wolfgang Hörner