Neue englische und amerikanische Literatur 

Eric Ambler, Wer hat Blagden Cole umgebracht?, Diogenes

Zeh Jahre hat Ambler auf sich warten lassen, bis er diesen zweiten Teil seiner Autobiografie veröffentlichte, die mit neun neuen Kriminalgeschichten gespickt im Herbst auf deutsch bei Diogenes erschienen ist. Amblers Romane sind Meilensteine nicht nur des Thrillers - vom visionären Der dunkle Grenzbezirk bis zu jenen, die sich mit den Großkonflikten unserer Tage beschäftigen, wie Der Levantiner. Und Amblers Erzählungen aus seinem eigenen Leben, das ist seit dem ersten Teil Ambler by Ambler bekannt sind nicht minder faszinierend. Eine excellente Lektüre!
 

Bradley Denton, Jimmy Blackburn, List

Bradley Dentons Roman erschien zuerst 1993 - zeitgleich mit Iain Banks Verschworen. Es scheint, daß Thema war reif: Der moralische Mord. Der moralische Serienmörder. Dessen Opfer diejenigen sind, die die Welt so ekelhaft machen wie sie ist. Der Mörder, mit dem wir Sympathie haben. Weil er uns einen Weg zeigt, die Welt zu verändern. Wenn wir nur alle mitmachten...
Dentons Buch ist eine der bemerkenswertesten Neuerscheinungen in diesem Herbst.
 

Bret Easton Ellis, Die Informanten, Kiepenheuer & Witsch

Bret Easton Ellis (Jahrgang 1964) zählt mit Jay McInerney, Tama Janowitz, Michael Chabon und anderen zur vierten Generation amerikanischer Schriftsteller. Und mit vier Büchern, die zum Teil großes Aufsehen erregten, ist er zu einem ihrer exponiertesten Vertreter geworden. Die Informanten handelt wie McInerneys Alles ist möglich vom großen Egofest der 80er, spielt allerdings an der Westküste und unter Leuten, die mehr an das Ausgeben von Geld als an das Verdienen desselben denken. Mit satirischem Biß erzählt Ellis elegant verknüpfte Episoden aus der eleganten Welt der Kinder reicher Eltern. Und grinsend zeigt er, wie zerbrechlich sie ist. Ja, es gibt Vampyre.
 

Hanif Kureishi, Das schwarze Album, Kindler

Man kennt das Thema: Immigranten in Großstadt, und man kennt es in seiner Spielart: Pakistani in London. Letzteres hat man besonders Hanif Kureishi zu verdanken, der die Drehbücher zu Stephen Frears' Mein wunderbarer Waschsalon und Sammie und Rosie tun es schrieb und bei London kills me selbst Regie führte (was allerdings offenbarte, daß Kureishis komparative Vorteile klar auf dem Gebiet des Schreibens liegen. 1990 legte er seinen ersten Roman vor, jetzt folgte Das schwarze Album, in dessen Mittelpunkt der pakistanische Student Shahid steht, der eine Affäre mit einer Frau beginnt, die dem alten Bloomsbury entsprungen sein könnte (oder eher noch einem frühen Roman Evelyn Waughs) und ein Techtelmächtel mit einer Bande islamischer Fundamentalisten...
 

John Le Carre, Unser Spiel, Kiepenheuer & Witsch

Nachtblaues Leinen umhüllt den neuesten Roman von John Le Carré, und eine silberne Rückenprägung trägt er. (Es muß da jemanden geben bei K&W, der für die Ausstattung der Bücher verantwortlich ist und ein derartig feines Gefühl für die Bücher hat, daß man es kaum glauben kann.) Vieles in Le Carrés Roman ist nachtblau & düster. Der eine stiehlt dem anderen das Leben. Dieser rächt sich, indem er dem ersten die Frau stiehlt. Die beiden sind Freunde. Aber dann geht es auf einmal um Leben und Tod zwischen ihnen.
Aber - gleich ob sie sich töten oder nicht - irgendwo töten sich Menschen immer auf der Welt, und sie tun dies mit System. Und man kann lange über Gut und Böse diskutieren. Und wenn Gutes erkannt wird, gibt es sogar einen Silberstreif am Horizont...
Unser Spiel ist mit Sicherheit nicht Le Carrés bestes Buch, aber ein guter und spannender Roman, der Stellung bezieht. Vielleicht tut er dies etwas zu deutlich, um dadurch nicht an Eleganz zu verlieren, aber natürlich mag es sein, daß es Zeiten gibt, in denen ein moralisches Buch wichtiger ist als ein künstlerisch vollendetes.
 

Ian McEwan, Der Tagträumer, Diogenes

McEwan ist vor allem für die dunklen Seiten seiner Bücher berühmt, und die hat es für gewöhnlich zahlreich gegeben. Der Tagträumer kommt insofern als kleine Überraschung. McEwan erzählt aus dem Leben des zehnjährigen Peters, der sich in die unterschiedlichsten Rollen und Situationen träumt, die niemand sonst begreifen mag. Er erzählt von der Kindheit schlechthin, von dem was sie wirklich ausmacht und auch letztlich auch davon, wie leicht dies (und sie) verloren geht.
Es müßte schön sein, daß Buch gemeinsam mit Kindern zu lesen... (Aber keiner kann alles haben...)
 

Michelle Slatalla/Joshua Quittner, Masters of Deception, Ammann

Die Masters of Deception sind eine Gang von Hackern, die sich mit der Legion of Doom einen atemraubenden kriminellen Wettstreit leistet, dem die Polizei bald ein Ende zu bereiten versucht, was in etwa den Handlungsrahmen des true-crime-thrillers absteckt. Aufregend und bemerkenswert ist aber vor allem, wie es dem Autorenpaar gelingt, die Erregung beim Hacken - während des Einbruchs, während der Operationen - zu transportieren. Und so sorgen die technischen und psychologischen Abläufe gleichermaßen für Spannung.
(Und der extravagant-schöne Einband des Buchs sorgt dafür, daß man auch bei dem Gedanken an den Info-Highway nicht die Lust am klassischen Buch verliert.)
 

Peter Ustinovs geflügelte Worte, Marion von Schröder

Ob Ustinovs Aphorismen (wollte der Verlag das Wort auf dem Umschlag vermeiden, weil er etwa glaubte, daß..., nun ja), ob Ustinovs Aphorismen also jemals zu geflügelten Worten werden, wird die Zeit entscheiden. Fest steht hingegen, daß seine Aphorismen (geistreiche Sinnsprüche, schlägt der Wahrig vor), fest steht also, daß diese Sinnsprüche den Namen Aphorismus verdienen (weshalb man sich nochmals fragt, warum der Verlag nicht...).