Neues zu Sprache und Literatur
Shari Benstock, Ich gehe meinen Weg: Das Leben der Edith Wharton, Goldmann
TB
Auf über 500 Seiten breitet Shari Benstock, die an der University
of Miami englische Literatur unterrichtet, die Lebensgeschichte der 1862
geborenen amerikanischen Schriftstellerin Edith Wharton aus, die durch
die Verfilmung ihres 1920 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Romans
Zeit der Unschuld vor kurzem einmal wieder ins öffentliche
Bewußtsein rückte, aus. Das mit einem hübschen Bildteil
versehene Buch, dem nur ein Namensregister fehlt, wird zweifelsohne zum
Standardwerk über Wharton werden. Dafür, daß Goldmann das
Buch als überaus preiswerte Taschenbuchausgabe (17,90 DM) als deutsche
Erstveröffentlichung zugänglich macht, ist dem Verlag zu danken.
Gottfried Bermann Fischer, Wanderer durch ein Jahrhundert, Fischer TB
1925 heiratete Gottfried Bermann die Tochter Samuel Fischers und trat unmittelbar
danach in den S. Fischer Verlag ein. Sieben Jahre später übernahm
er die Leitung des Verlags, weitere vier Jahre später, 1936, mußte
er emigrieren. Zwei Jahre nach Kriegsende war er es dann, der den Exilverlag,
den er in Stockholm leitete, mit dem deutschen wieder zusammenführte.
In seinen Erinnerungen, die 1994 erschienen, läßt Bermann Fischer
nicht nur sein eigenes Leben Revue passieren, denn schließlich war
dieses - mehr als bei den meisten anderen - mit dem Zeitgeschehen verknüpft.
Durch diese immer gleichzeitige Präsenz von privatem Leben, Literatur
und politischem Geschehen wird dieses Buch - das so lehrreich wie spannend
- zu einem überaus anregenden Leseerlebnis, das als Vermächtnis
gedeutet werden kann.
Diane Wood Middlebrook, Zauber und Zeichen: Das Leben der Dichterin
Anne Sexton, Goldmann TB
1993 bei Arche als Hardcover erschienen, liegt nun - gewissermaßen
rechtzeitig zur Vollendung der Werkausgabe bei Fischer - Diane Middlebrooks
ausgezeichnete Biographie Anne Sextons bei Goldmann als Taschenbuch vor,
wobei wieder der Preis von 19,90 DM (bei 600 mit Fotografien versehenen
Seiten) zu rühmen ist. Das Leben Anne Sextons war - viele werden's
in den Artikeln, die in den letzten Wochen in der Presse zu lesen waren,
gelesen haben, sofern sie es nicht eh schon wußten - so schillernd
wie tragisch. Die Hausfrau Sexton begann das Schreiben als Therapie - Erfolg
und Ruhm waren dabei keineswegs eingeplant. Daß sich beides trotzdem
einstellte, half der schönen und klugen Dichterin freilich nicht -
mit 46 nahm sie sich das Leben, über das zu lesen jeder, der sich
für Literatur und Dichtung interessiert, angehalten sei.
Wolf Schneider, Deutsch für Kenner, Piper TB
In Zeiten, in denen wegen ohne Dativ überrascht, derselbe aber
gleichzeitig in Fällen, in denen er nötig, ausgerottet wird,
wirkt Wolf Schneiders neue Stilkunde so fehl am Platz wie bitter
nötig. Fehl am Platz, weil es sich gegen die Zeit stellt, und
sich ausmacht wie eine totgeglaubte Echse nicht in Jurassic Park sondern,
sagen wir, mitten in Bonn oder Berlin. Bitter nötig, weil, wenn wir
nicht aufpassen, bald nur noch ein Zirkel eingeweihter mit der Sprache
der Dichter & Denker umzzugehen wissen wird. Also: Kaufen! Lesen! Merken!
Taube und Franzbrot - Das Lübecker Hauskochbuch der Familie Mann,
Universitätsverlag C. Winter
Auch wenn Hans Castorp manchmal nur essen will, um hinterher rauchen zu
können, ist die Nahrungsaufnahme in Thomas Manns Werk doch beinahe
omnipräsentes Thema. Jetzt endlich ist nachzulesen, welche Speisen
der Meister selbst gespiesen hat. Über meherere Generationen wurde
an dem Kochbuch gearbeitet, und das erklärt freilich, warum es in
einem Universitätsverlag erschienen ist - schließlich dokumentiert
es nicht nur, wie Blumenkohl, Spinat und Erbsen bei Manns zubereitet wurden,
sondern auch, wie die Menschen aus dem Volk, die Großbürgers
dienten, mit der Sprache in Schrift umgingen. Verkaufen dürfte sich
das hübsche mit einem aufschlußreichen Vorwort versehene Büchlein
letztlich dann aber doch an jene, die ans nachkochen gehen werden, an die
Hartgesottenen also, die auch darauf warten, daß Arnos Schmidts von
der Stiftung bewahrte und mit Anstreichungen versehene Fernsehprogramme
faksimiliert werden, um dann die alte MAZe zu besorgen... Nun, wir gehören
freilich dazu...