Neue Krimi-Taschenbücher mitten im Jahr 1996
Aaron Elkins, Tote Herzen, Heyne TB
Aaron Elkins ist von allen heute lebenden Krimiautoren der einzige, der
es schafft, in modernem Setting eine Atmosphäre zu erzeugen, die jener
des goldan age des Kriminalromans gleicht. Und wie er das macht
ist ganz faszinierend. Nicht minder faszinierend ist freilich die Arbeit
seines Gelegenheitsdetektivs Gideon Oliver, des Knochenexperten. In Tote
Herzen bekommt dieser es mit besonders alten Gebeinen zu tun: einem
5000jährigen Skelett, das bei Ausgrabungen in Ägypten entdeckt
wird und für Unruhe sorgt.
Dan Kavanagh, Schieber City, Heyne TB
Inzwischen sollte es eigentlich jeder wissen, wir verraten's trotzdem nochmal:
Dan Kavanagh ist der Mann von Pat Kavanagh, ist also Julian Barnes. Und
das bürgt für Qualität. Zwar bleibt Barnes erster Ausflug
in das Krimigenre, Duffy, sein gelungenster, aber besser als das
meiste, was hierzulande auf den Markt kommt ist Schieber City allemal.
Diesmal verschlägt es Duffy übrigens an den Fulghafen Heathrow,
und übersetzt hat Michael Bodmer.
John Martel, Die Partner, Knaur TB
Ein spannender Roman in der Tradition von John Grisham! - schreibt
der Verlag auf die Rückseite des Paperbacks. Well, well. Die Tradition
besteht ja mehr im beruflichen Umsatteln verschiedener amerikanischer Juristen
als in irgendeiner Form von guter Literatur. Trotzdem sollten sich in diesem
Fall nicht nur die Grishamjunkies angesprochen fühlen. Die Partner
ist tatsächlich spannend, und die Story allemal besser aufgezogen
als beim Spitzenverdiener der Branche.
Ellis Peters, Mord zur Gitarre, Goldmann TB
1969 hat Ellis Peters diesen Roman geschrieben - also lange, bevor sie
zur Begründerin des Subgenres der Mittelalterkrimis wurde. Und so
spielt Mord zur Gitarre, der Titel läßt es ja schon vermuten,
im 20. Jahrhundert, und zwar in einem englischen Dorf, in dem einige junge
Leute sich zusammengetan haben, um Folk zu spielen. Einer von ihnen widmet
sich aber noch etwas anderem, und dabei sterben Leute...
Übersetzt hat übrigens Mechthild Sandberg-Ciletti, die ohne
Zweifel zu den upper 10 percent der deutschen Übersetzer und
Übersetzerinnen zählt.
Scott Smith, Ein ganz einfacher Plan, Goldmann TB
Ein ganz einfacher Plan war das Romandebut von Scott Smith, und
als er 1994 im Hardcover bei Blanvalet erschien, waren auch Leute begeistert,
die sonst mit dem Genre nicht soviel anfangen können. Nicht nur die
Geschichte, in deren Verlauf drei Leute vier Millionen Dollar in einem
Flugzeugwrack finden und versuchen, damit davonzukommen, was nur zunächst
ganz einfach klingt - nicht nur die Geschichte hat einen nahezu klassischen
Appeal, auch Smiths schnörkellose Sprache, eine gewisse Reinheit des
Stils machen den Thriller zu einem, der bleiben wird.
Dave Szilagyi, Der Elfengarten, Econ TB
Fotografien zu machen, auf denen Dinge zu sehen sind, die unerwartet, kann
heftige Folgen haben. Denken wir nur für einen Moment an Antonionis
Blow Up. Charles Castle nun, der Held in Szilagyis im London der
20er Jahre angesiedelten Kriminalroman, hat gar Elfen auf seinen
Bildern entdeckt. Jetzt wartet er auf den Henker. Doch was ihn im ersten
Kapitel wirklich beschäftigt ist die Frage, ob Elfen Flügel haben.
Dann erzählt er seine Geschichte...
Publishers Weekly sprach von den hypnotischen Qualitäten
der Geschichte. Und wenn Dinge von anderen auf den Punkt gebracht werden,
haben wir es uns ja zu eigen gemacht, dem nichts hinzuzufügen.
David Thompson, Der Spiegelmacher, Econ TB
Der Spiegelmacher spielt im Venedig des 16. Jahrhunderts, und die
erste gute Nachricht lautet, daß die Lagunenstadt auf sehr schöne
Weise im Buch des Filmlehrers präsent ist. Die zweite gute
Nachricht lautet, daß es sich überhaupt um ein gutes Buch handelt,
in dem der Held, Lazaro, in die Kunst der Spiegelproduktion eingewiesen
wird, was, da es gilt das Wissen um die Technologie nicht nach außen
dringen zu lassen, sehr gefährlich für ihn wird.
Mit seinem fast 500 Seiten starken Buch reiht sich Thompson neben Michael
Dibdin und Donna Leon ein, die - allerdings in heutigem Setting - ebenfalls
erstklassige Venedigkrimis verfaßt haben.
Scott Turow, So wahr mir Geld helfe, Knaur TB
Es ist ein Konstruktionsfehler, der uns das Buch vergällt: Mehr oder
minder besteht es aus Tonbandprotokollen, aus der Abschrift eines Monologs
- doch niemand, niemand würde so reden, würde Dialoge
nachplappern, womöglich noch mit verschiedenen Stimmen. Insofern:
höchstens etwas für die hartgesottenen Fans des Justizthrillers.
Stuart Woods, Der Produzent / Blindes Verlangen, Goldmann TBs
Gleich zwei neue Bücher von Stuart Woods sind hier anzuzeigen, die
bei Goldmann jeweils als deutsche Erstausgaben erschienen sind. Der
Produzent handelt von einem jungen Geldeintreiber der Mafia, der nebenbei
Film studiert, und bald als Produzent auf eher ungewöhnliche Weise
Geld auftreibt, was ihm schließlich Mafia und FBI an die Fersen heftet.
Blindes Verlangen handelt auch von Hollywood, und zwar von einem
jungen weiblichen Star, die einen Bewunderer zu viel hat.
Stuart Woods neuere Bücher an seinem großartigen Roman Die
Nachfolger zu messen, ist wahrscheinlich ungerecht - zumal sie sonstige
Vergleiche bestens aushalten.