Frisch ausgepackt III: Neue Krimis und Thriller in
1996
Michael Crichton, Vergessene Welt, Droemer Knaur
Zum Inhalt des neuen Buchs von Michael Crichton,
das gleich mit seinem Erscheinen im Januar - wie sollte es auch anders
sein? - zum Bestseller wurde, muß an dieser Stelle wohl kaum etwas
gesagt werden: 6 years after. Allerdings - ein Wort zum Autor und
Ex-Regisseur scheint uns auch diesmal wieder angebracht: Crichton ist ein
guter Autor, der mit manchen Passagen zeigt, das er ein noch besserer Autor,
ja, ein sehr guter Autor sein könnte, wenn er nicht immer gleich
an den Film denken würde, der später aus dem, was er schreibt,
werden wird. Dann nämlich würde er zweifelsohne das rein narrative
Moment in seinen Büchern verstärken, was vor allem hieße,
daß er auf manchen Dialog, den er jetzt nur für den Drehbuchautor
schreibt, verzichten könnte. Naja. Das wird wohl nix werden. Und so
wird es wohl auch in Zukunft nur einen guten Crichton geben. Sind
wir also genügsam. (Außerdem hat Droemer Knaur ein ganz entzückendes
Buch hergestellt - mit witzigem Schutzumschlag, hübschem Einband,
einer Karte, netten Vignetten und ausgefallener aber schöner Typografie.)
Joseph R. Garber, Der Schacht, Piper
Joseph Garber schreibt für Forbes, aber wir wollen ihm das
nicht weiter verübeln. Der Schacht ist nämlich ein klasse
Thriller mit sehr albtraumhafter Note. Oder wie fänden Sie es, morgens
ins Büro zu kommen und mit einer Knarre begrüßt zu werden,
in ein anderes Stockwerk zu fliehen und wieder auf Leute zu treffen, die
nur eines im Sinn zu haben scheinen, nämlich Sie zu töten. Nein,
das wäre wohl kein Spaß - auch dann nicht, wenn es 50 verschiedene
Stockwerke gibt. Und Garber gelingt es, den Wahnsinn und die Angst, vor
allem die Angst, auf erschreckende Art zu vermitteln. Herzklopfen ist im
Preis also eingeschlossen.
James Grippando, Im Namen des Gesetzes, List
James Grippando ist Anwalt und schreibt Justizthriller. Und er macht das
gut. Im Namen des Gesetzes erzählt die Geschichte von Jack
Swyteck, der als Verteidiger einem Schuldigen zum Freispruch verhilft.
Als sich der Killer öffentlich der tat rühmt, schmeißt
Jack den Bettel hin. Doch dann fangen die Probleme erst richtig an, und
bald schon ist Jack selbst des Mordes angeklagt. Grippandos Roman, dem
der List Verlag einen sehr hübschen Umschlag verpaßt hat, ist
grundsolide geschrieben, sehr spannend und zweifelsohne besser als die
Bücher eines gewissen Kollegen, der im Alphabet ziemlich nahe bei
Grippando steht.
Paul Harding, Tod auf der Themse, Eichborn
Hinter dem Pseudonym Paul Harding versteckt sich ein britischer Historiker,
und dieser Umstand tut seinen historischen Kriminalromanen um Sir
John und Athelstan, die es diesmal unter Piraten verschlägt, sehr
gut. Der Hintergrund - das London im 14. Jahrhundert - ist für ihn
nicht nur eine beliebige bunte Folie sondern etwas, an dem er sehr genau
arbeitet (und etwas, worauf man sich als Leser verlassen kann). Daß
das längst nicht bei allen Romanen des Subgenres so ist, dürfte
sich inzwischen ja hinlänglich herumgesprochen haben. Egal also, ob
man eine besondere Schwäche für Krimis hat und das mittelalterliche
London nicht völlig uninteressant findet, oder ob man eine besondere
Schwäche für das mittelalterliche London hat und Krimis nicht
völlig uninteressant findet, in jedem Fall ist man mit Paul Hardings
Romanen bestens bedient. (Wenn beide Schwächen freilich zusammenkommen,
na, diejenigen dürften Harding ja schon längst kennen.)
John Martell, Der Auftrag, Droemer Knaur
John Martell ist Prozeßanwalt und schreibt Justizthriller. Der
Auftrag handelt von einem jungen Anwalt, dem es gelingt in eine äußerst
renommierte Sozietät einzusteigen. Nach kurzem Aufstieg kommt mit
dem ersten brisanten Fall der Fall. Doch dann soll alles neu aufgerollt
werden. Für Liebhaber des Genres ist John Martells neuestes Buch sicher
eine feine Lektüre. (Und es ist ja auch nicht sonderlich schwer, besser
als John Grisham zu sein.)
Der Verlag allerdings hätte dem Buch, das heißt der Übersetzung,
ein besseres Lektorat angedeihen lassen müssen. Das fängt nämlich
gleich auf der ersten Seite an, auf der Gabriele Sommer Interstate
mit Internationale übersetzt, was andererseits natürlich
einer gewissen Komik nicht entbehrt.
Steve Martini, Kreuzverhör, Scherz
Steve Martini ist Prozeßanwalt und schreibt Justizthriller. Unter
all seinen Kollegen ist er jedoch der beste Stilist, so daß ihn nicht
nur die ausgesprochenen Fans jener Sparte schätzen werden. Wenn Martini
also Lob von Kollege G. erhält, so sollte das einen nicht unbedingt
animieren, das Buch nicht zu lesen. (Vielleicht kann Kollege G.
ja wirklich viel besser urteilen als schreiben - schließlich ist
er von Hause aus ja - ach, lassen wir das.)
Scherz hat aus dem intelligenten Thriller übrigens, wenn man vom
Umschlag einmal absieht, ein sehr schönes Buch gemacht - mit hübsch
gelbem Rückenschild auf schwarzem Grund und sehr gutem Satz.
Marion Schwarzwälder, Trio Berlin, Eichborn
Das Bemerkenswerteste an diesem Buch ist, daß die Autorin im Schwarzwald
geboren wurde. (Nicht umsonst scheint der Verlag hinter diese Information
ein Ausrufezeichen zu setzen.) Trio Berlin wäre ohne den Krimiboom
der letzten 10 Jahre weder geschrieben noch verlegt worden. Aber heute
kommt ja ein jeder auf die Idee, daß es ein leichtes sein muß,
mal selbst einen Krimi zu schreiben, um sich nebenbei was zuzuverdienen.
Der Werber Hen Hermans fällt uns da ein (ein prominenter Haffmansfehlgriff)
oder Viola Schatten, hinter der ja angeblich eine ehemalige taz-Feuilletonistin
steckt, die heute für die Zeit arbeitet. (Von letzterer wissen
wir allerdings, daß sie nicht nur das mit den Krimis nicht begriffen
hat.) Wie auch immer: Das Schwarzwälder-Buch hätte bei Eichborn,
die im letzten Jahr so wunderbare deutschsprachige Erstlinge gebracht haben,
wie die von Schwanitz oder Stobbe, gewiß nicht erscheinen dürfen.
Tim Willocks, Die Gefangenen von Green River, Heyne
Willocks Roman ist ein überaus düsteres Buch. Es handelt von
einem Gefängnisaufstand, von 24 Stunden, in denen ein verurteilter
Vergewaltiger, dessen Entlassung unmittelbar bevorsteht, zum Helden wider
Willen wird, weil es für ihn nicht nur gilt, die Angebetete, die Gefängnispsychologin
Juliette, zu retten, die sich rasch in den Händen gewalttätiger
Mithäftlinge befindet, sondern ein allgemeines Blutbad zu verhindern.
Willocks lebt und arbeitet als Psychiater in London. Für die Innenseite
des Umschlags seines in 14 Sprachen übersetzten Buches hat er sich
mit Hemd und Jackett fotografieren lassen, wobei beides dieselbe Farbe
hat: schwarz.