Varia 1996
Franz Blei, Das Bestiarium der Modernen Literatur, EVA
Franz Blei, 1871 in Wien geboren, muß zu den wichtigsten Entdeckern
und Förderern der Autoren der literarischen Moderne gezählt werden.
Zu jenen, die er publizierte, gehören unter anderem Robert Walser,
Carl Einstein und Robert Musil. Das Bestiarium versammelt einige
von Bleis - stets stilistisch brillanten - Aufsätzen über seine
Zeit und Zeitgenossen, die aber allesamt kaum zeitgebunden wirken. Kostprobe
gefällig?:
Unter den menschlichen Werken genießt allein das Kunstwerk
das Privilegium fast intakt durch die Zeiten zu dauern, denn das wissenschaftliche
Werk ist provisorisch, das politische, das wirtschaftliche Werk wandelt
sich alsbald in mechanische Kräfte. (...) Dieser Umstand ist heute
dem geringsten Reimer geläufig (...).
Viel Spaß!
Andrew Hodges, Alan Turing: Enigma, Springer
Hodges Biographie des genialen Mathematikers und Computerkonstrukteurs
Alan Turing eröffnet die oppulent ausgestatte Springer-Reihe Computerkultur.
Hodges Biographie ist spannend zu lesen (vielleicht nicht minder spannend
als Robert Harris Thriller über Enigma) und vermittelt viel
von den Ideen und Konzepten Turings, der 1954 gestorben ist, mit seinem
Werk aber noch immer für aktuelle Diskussionen - zum Beispiel über
Künstliche Intelligenz - von Bedeutung ist.
Mit der Reihe Computerkultur trägt Springer der interdisziplinären
Bedeutung maschinellen Rechnens Rechnung. Und so sind ihre Bände von
Interesse für Forscher & Laien aus allen Gebieten. Wir hoffen,
demnächst weitere Bände hier vorstellen zu können.
Ludger Lütkehaus, Tiefenphilosophie, EVA
Ludger Lütkehaus, dem wir die einzige zuverlässige Schopenhauer-Ausgabe
zu verdanken haben, hat für diesen Band, der seit dem Herbst erstmals
als Taschenbuch bei der Europäischen Verlagsanstalt vorliegt, einige
der wichtigsten Texte versammelt, die sich vor Freud mit dem Unbewußten
befaßt haben, und zwar nicht als Tifenpsychologie sondern
vielmehr als Tiefenphilosophie. So kommen nach einer informativen
Einleitung von Lütkehaus selbst unter anderem Jean Paul, Goethe, Schelling,
Fichte und Nietzsche zu Wort. Und die Klugheit der Texte paart sich mit
der Klugheit der Zusammenstellung. - Ein spannendes Buch, das weder in
einer philosophisch noch in einer psychologisch ausgerichteten Bibliothek
fehlen sollte.
David Peak & Michael Frame, Komplexität, Birkhäuser
Komplexitäts- und Chaostheorie haben im letzten Jahrzehnt einen atemberaubenden
Siegeszug durch die unterschiedlichsten Disziplinen angetreten, und so
leicht den meisten die Schlagworte über die Lippen gehen, so wenig
verstehen sie davon, was viel damit zu tun hat, daß man eine gewisse
Mathematik beherrschen muß. Peak & Frame gelingt es in ihrer
- mit vielen Illustrationen versehenen - Einführung, die wichtigsten
Konzepte und Ideen zu vermitteln, ohne Hardcore-Mathematik zu verwenden.
Zweifelsohne ist ihr Buch die ultimative Lektüre für alle, die
verstehen wollen, wie da eine Theorie von zu Jahr an Einfluß gewinnt,
und wenigstens einige elemantare mathematischen Methoden beherrschen. (Ein
Abitur von einer vernünftigen Schule sollte genügen.)
Gerhard Roth, Die Photo-Notizbücher, Springer
Photos als Notizen. Bildsammlungen als Tagebücher. Begleitet nur von
wenigen und kurzen Texten (von Robert Weichinger) erzählen die Photographien
in diesem Band von Reisen und Erkundungen des in Wien lebenden Schriftstellers
Gerhard Roth - sie handeln von einer frühen USA-Reise, von Italien,
Orten des Schreckens und der Heimat. Sie sind großartig komponiert
und arrangiert, so daß das Blättern in diesem Band nicht nur
emotional bewegt sondern auch zu vielen Assoziationen und Gedanken Anlaß
gibt.
Alexander Tzonis et al., Architektur in Nordamerika seit 1960, Birkhäuser
Mit seinen Fotos, Abbildungen von Entwürfen und Skizzen und den vielen
profunden theoretischen und praktischen Überlegungen, die die Bilder
begleiten, ist dies ein Architekturbuch, wie es sein soll (und wie es damit
gleichermaßen für Profis und Amateure interessant und erhellend
ist). Insbesondere die Einbettung von Architektur in Kultur und Landschaft
(oder vielmehr ihre Ursprünge aus denselben) werden von Tzonis und
Koautoren auf intelligente Weise dargestellt.
Darüberhinaus überzeugt das Buch des Schweizer Verlags durch
seine sorgfältige Ausstattung, den schönen Satz und die solide
handwerkliche Verarbeitung, was den Preis von 128 DM als ausgeprochen günstig
erscheinen läßt.
Gerald Zugmann, Architecture in the Box, Springer
Das wundervoll eingebundene Buch dokumentiert 15 Jahre Architekturphotographie
von Gerald Zugmann, dessen Ruf inzwischen weit über Insiderkreise
hinausreicht. Warum - das vermittelt sich dem Betrachter rasch - gelingt
es dem gebürtigen Wiener doch, Gebäude auf eine Art und Weise
darzustellen, die dem Betrachter viel mehr als nur Form & Material
verraten. Wir alle kennen das Gefühl, das einen beschleichen kann,
wenn man bestimmte Gebäude (wir wollen gar nicht von Kirchen reden)
betritt, das einem eine Idee einhaucht oder einen schauern macht: Zugmanns
Bilder leisten ähnliches für jenen, der - sensibel genug - im
Lesesessel sitzt.