Alles ist möglich

Steffen Huck über Jay McInnerney

Jay McInnerney gehört, wenn Cooper und Poe zur ersten, Fitzgerald und Dos Passos zur zweiten, Updike und Cheever zur dritten zählten, zur vierten Generation amerikanischer Schriftsteller. 1986 war er dreißig. Sein im Frühjar bei Goldmann erschienener Roman Alles ist möglich spielt 1987 – auf dem Höhepunkt der Wall Street geprägten Achtziger. Sein Held ist Russell Calloway, Lektor in einem literarisch angesehenen Verlag, verheiratet mit Corinne, die als Brokerin arbeitet. Ihre Ehe gilt als außergewöhnlich und unantastbar. Während ihre Freunde mit immer neuen Partnern und Partnerinnen auf den diversen Partys in New York erscheinen, um ab und an mit ihnen im Badezimmer zu verschwinden, sind sie einander treu und stehen als Kuriosität wie der Fels in der Brandung. Aber alles ist möglich. Im Beruf wie im richtigen Leben.

Eines Tages erwischt Russell seinen Boß im Büro mit der Sekretärin auf dem Schoß. Der hatte zuvor schon Russells Lieblingsprojekt demontiert. Calloway sieht sich bedroht. War er einst das Hätschelkind des Verlags, das mit einem Buch seines Freundes Jeff den großen Durchbruch schaffte, sieht er sich nun auf der Abschußliste. Doch es ist 1987, die Erfindung der Junk Bonds liegt noch nicht lange zurück, und feindliche Übernahmen sind in Mode.

Alles ist möglich. Und so plant Russell, der bislang nur mit ein paar müden Tausendern, die freilich sein gesamtes Kapital darstellten, friedlich herumspekulierte, den Kauf des Verlags. Es wird eine turbulente Zeit. Und nicht nur geschäftlich. Neben der Mergers&Acquisitions-Fachfrau, die den großen Deal managen soll, eine ehemalige Bekannte Russells und potentielle Verführerin, ist es vor allem Jeff, der alte Freund Russells, der an seinem zweiten Buch zu scheitern droht, an der Nadel hängt und in etwa zu dem Zeitpunkt, als sich diese merkwürdigen lila Flecken auf seiner Haut zeigen, Russell gesteht, das er einst mit Corinne geschlafen hat, der nachhaltig dazu beiträgt, Russells Leben durcheinander zu bringen, der dann Sätze sagen wird wie: "Trost ist keine Emotion, die vaginal verabreicht werden muß."

McInerneys Buch ist ein komisches Buch. McInerneys Buch ist ein trauriges Buch. Es ist durchsetzt mit witzigsten Dialogen und betrüblichsten Einsichten. Und manchmal überlagert sich beides. Aber am Ende glimmt über allem die Hoffnung.