Anne Fines Tagebuch einer Killer-Katze

Katzen sprechen nicht. Katzen denken nicht einmal. Wer denkt, Katzen könnten sprechen, der tickt nicht richtig. Tiere als Projektionsfläche für eigene Wünsche und Begierden zu mißbrauchen, ist beschämend und erbärmlich. Und natürlich peinlich. Tierbücher mit Sprechblasen, recherchierende Kater in Kriminalromanen, schreibende Hunde – einfach lächerlich. Tiere sind eben einfach, das muß festgehalten werden, sie sind nicht das, was wir uns unter ihrem Fell vorstellen.

Eben!, möchte ich ausrufen, nachdem ich mir Anne Fines Tagebuch einer Killer-Katze genüßlich vor Augen geführt habe, Katzen sind nämlich ganz anders als uns die Katzenkrimis weismachen wollen. Nicht durchweg gut, aber auch nicht böse: Anne Fines Katze ist so wie meine Katze, und vermutlich auch ähnlich wie Deine, eine stinknormale Katze eben, die sich jeden Tag einschmeichelt und sich partout nicht an die Hausregeln halten will. Kuschel zerrt ihren besten Freund Hoppel tot und verdreckt durch die Katzenklappe, killt kleine Vögel, schleppt Mäuschen an und verängstigt andere Tiere beim Tierarzt.

So sind Katzen eben, das ist ihre Natur, denkt man nach der Lektüre des wunderbaren Buches für alle kleinen und großen Liebhaber der samtigen Vierpföter. Gerne sieht man daher über hehre Urteile und postulierte Grundsätze hinweg, Katzen könnten nicht sprechen. Tut Anne Fines Katze auch gar nicht. Sie schreibt, und vielleicht läßt sie auch nur schreiben. Mag sein,daß das Tagebuch einer Killer-Katze gar nicht von Katze Kuschel selbst verfaßt ist, sondern nur von jemandem, der Katzen sehr genau kennt und uns erklärt, warum die Katze eine Katze ist und so liebenswürdig ist, wie sie ist. Und daher liest sich das Tagebuch einer Killer-Katze wie eine Liebeserklärung an alle Katzen auf der Welt.

Diogenes 1996, Hardcover, DM 19,80

 
Okay, Okay, hängt mich ruhig auf! Ja, ich hab den Vogel getötet. Du lieber Himmel, ich bin nun mal eine Katze! Es ist sozusagen mein Job, durch den Garten zu schleichen und süßen, schnuckeligen kleinen Piepmätzen aufzulauern, die kaum von einer Hecke zur anderen fliegen können. Was soll ich machen, wenn so ein armes gefiedertes Flatterbällchen sich mir praktisch ins Maul wirft? Es ist schließlich fast direkt auf meinen Pfoten gelandet. Es hätte mir ja wehtun können! 
Okay, okay. Da hab ich es halt ein bißchen geknufft.Muß Ellie mir deshalb ins Fell schluchzen, daß ich fast ertrinke und mich drücken, daß ich fast ersticke?  
„Ach, Kuschel!" sagte sie, schniefend und rotäugig und mit durchgeweichten Papiertaschentüchern um sich werfend. „Ach, Kuschel! Wie konntest du das tun?"  
Wie ich das tun konnte? Ich bin nun mal eine Katze. Woher sollte ich wissen, daß es so ein Riesentheater geben würde – daß Ellies Mutter rennen und alte Zeitungen holen und Ellies Vater einen Eimer mit Seifenwasser vollaufen lassen würde? 
Okay, okay. Vielleicht hätte ich den Vogel ja nicht ins Haus schleppen und auf dem Teppich liegenlassen sollen. Vielleicht gehen die Flecken ja wirklich nie mehr raus. 
Nur zum hängt mich ruhig auf!