Neue Comix!

 
Kult! sind Comics schon lange nicht mehr, sind sich doch alle ernstzunehmenden Kritiker längst einig, daß sich in den letzten Jahrzehnten hier eine neue und überaus ernstzunehmende Kunstform entwickelt hat, die vielen anderen gegenüber freilich den Vorteil hat, meistens bestens zu unterhalten.

Kult! ist allerdings Star Trek, und damit wären wir beim ersten hier vorzustellenden Comic. Die Ehren der Unschuld ist der Titel des ersten Bands einer Reihe mit Star Trek Comics. Chris Claremont, Adam T. Hughes, Karl Story und Tom J. McCraw zeichnen verantwortlich für eine fast 100 Seiten lange, packende Geschichte, die sicher nicht nur eingefleischten Fans gefallen wird, vor allem wegen der ungeheur dynamischen Zeichnungen, der aufregenden Bild- und Seitenkompositionen. Die Helden bestehen aus der alten Originalcrew, und zu meistern haben sie wahrlich ernste Probleme. Und wenn am Ende mit sprudelndem Getränk angestoßen wird, haben nicht nur sie eine spannende Zeit hinter sich gebracht.

Stilistisch ganz anders, ganz klassisch kommt Band 1 einer anderen neuen Reihe daher. Lucky Luke kennt jeder. Wer aber hatte schon eine Ahnung von den Abenteuern, die selbiger als Jungspund erlebte? Nun, Morris, Pearce und Leturgie! Und die erste Geschichte, die sie erzählen, sie ist klasse, sie ist rührend und komisch, und sie ist erhellend, denn endlich lernt man, wie sich Lucky Kid (so auch der Titel der neuen Reihe) und Jolly Jumper zusammenfanden. Und man lernt, warum Jolly Jumper Jolly Jumper heißt. Am Fluß der rosa Biber kommt daher wie eine sensationelle verschütt gegangene Entdeckung. Der Band vereinigt alle wunderbaren Seiten des Comics - auf 48 Seiten, die viel zu kurz erscheinen. Well, weitere werden ja folgen.

Schon mitten in einer Reihe befindet sich Tassilo. Er ist der Held einer für Kinder und Junggebliebene gedachten Rittersaga. Wie schon in den ersten sieben Bänden steht ihm auch in Nummer 8 sein ebenso treuer wie tolpatschiger Knappe Alwin zur Seite, und diesmal begeben sie sich auf die Suche nach der Smaragdtafel. Das Heft ist überaus klassisch (wenn auch manche finstere Gestalten, die man in frühen Comics so nicht gefunden hätte, an allen möglichen Ecken lauern) und sehr schön gezeichnet.

Die Kategorie des Schönen ist sicher keine für das von John Wagner, Alan Grant und Simon Bisley produzierte erste Heft der Reihe um Judge Dread - Sly Stallone läßt grüßen. Hart, schnell und brutal erzählt der Band Geschichten vom Mega-City-Blues. Geschichten, die schockieren. Die man aber mag, wie man die Filme Quentin Tarantinos mag. Denn Blut spritzt auch im wirklichen Leben...

Aähnlich wild und, ja!, cool sind auch die Episoden aus den ersten beiden um Tank Girl (richtig, wieder dürfen Sie ans Kino denken!). In zynischen Schwarz-Weiß-Zeichnungen gilt es die 90er Jahre-Variante von Sex, Drugs & Rock'n Roll zu zelebrieren. Klasse! ist's. (Und selbstreflexiv komisch dazu.) Und mitten im Comic mit dem Känguruh finden sich dann noch Hinweise zu andren Comics und, vor allem, zu Musik. Ohne Frage, Tank Girl wird für die erste Hälfte dieses Jahrzehnts stehen wie kaum ein anderes Comic!

Für ganz andere Zeiten (wenn überhaupt für Zeiten) steht der neueste Band von Hugo Pratt. Er ist Antoine de Saint-Exupery gewidmet und heißt Sein letzter Flug. Versehen ist er mit einem Vorwort von Umbert Eco und einem feinen Essay von Frederic d'Agay. Die Geschichte selbst ist sparsam, schlicht und bewegend erzählt. Die Bilder kommen mit Blau- und Brautönen aus und künden vom Himmel und der Wüste. Der Band ist äußerst aufwendig und sorgsam gemacht, und jeder, der einst den kleinen Prinzen gelesen hat, wird ihn sicher mehr als einmal lesen & betrachten.

Steffen Huck

Alle genannten Bände sind bei EHAPA und FEEST erschienen.